Portokässeli-Sponsoring und US-Patent-Klagen
Pfaffhausen, 26. Februar 2009: Die gegenwärtige Zeit bringt manche Überraschung mit sich. So habe ich verwundert meine Augen gerieben, als bekannt wurde, dass Microsoft als Sponsor bei der OpenExpo auftreten wird.
Sollen wir uns nun freuen oder schämen? Freuen, weil Microsoft unsere Nachfolge als OpenExpo-Sponsor antritt und wir einen prominenten Nachfolger erhalten? Oder schämen, weil wir nun im gleichen Boot mit einer Firma sitzen, deren Chef Open Source 2001 als Krebsgeschwür bezeichnete, siehe dazu auch die Meldung bei heise.
Bei dieser Gelegenheit taucht vielleicht die Frage auf, warum wir 2009 die OpenExpo nicht mehr sponsern. Bei einem Sponsoring-Engagement geht es nicht zuletzt darum einen Goodwill zu schaffen. Bei der OpenExpo z.B. ginge es darum zu zeigen, wir unterstützen und leben Open Source. Im Falle der OpenExpo 2009 hätte dies bedeutet, dass wir Hand in Hand mit Microsoft aufgetreten wären. Auf der gleichen Titelseite neben Microsoft, ich weiss nicht, mein Herz und mein Verstand sagen mir, das geht nicht und ich mag es nicht!
Wer zu 899 Mio. Euro Bussgeld verurteilt wird, sollte nicht mit dem Portokässeli Sponsoring betreiben können
Ich möchte nicht missverstanden werden, ich habe an sich nichts gegen Microsoft. Ich bezweifle nur, ob es für uns (bzw. eine Open Source Messe) Sinn ergibt, wenn Microsoft als Sponsor auftritt. Ich persönlich käme mir historisch gesehen halt doch als krebsendes Geschwür vor oder hätte Angst gar selber auf dem OP-Tisch zu landen.
Sicher, eine Firma mag sich verändern, aber dann frage ich mich, warum diese Firma noch 2008 zu einer EU-Kartellbusse von 899 Mio Euro verbrummt werden musste, mehr dazu bei heise. Und warum wurde Microsoft nun verurteilt? Weil der Konzern jahrelang den Auflagen der EU-Kartellwächter nicht nachkam, die in etwa darin bestanden hätten, den Marktkonkurrenten Zugang zu wichtigen Kommunikationsprotokollen zu gewähren.
Lassen Sie es mich so sagen, seit es die Archivista-Produkte gibt, sind sämtliche Protokolle, welche wir für die Kommunikation in unseren Produkten verwenden zu 100% offengelegt, für uns ist das eine Frage der Glaubwürdigkeit und des Vertrauens gegenüber unseren Kunden. Fairerweise darf hier angefügt werden, dass Microsoft eine ähnliche Strategie vor ca. 1 Jahr ankündigte und so könnte das Sponsoring ja ein Beitrag in diese Richtung darstellen.
Glauben wir gerne, nur, wenn ich die heutige Meldung “Microsoft verklagt TomTom” lese, dann frage ich mich, ob diese Firma wirklich lernfähig und willens ist. In der nunmehr eingereichten Klageschrift werden in den USA Dinge eingeklagt, die sich in jedem Linux-Kernel finden wie z.B. das Laden von Geräten mit dem Fat32-Dateisystem. Im übrigen strotzt die neuste Klageschrift von Trivialitäten, dass ein jeder Linux-Kernel glatt den Geist aufgeben wird. Sagen wir es so, zum Glück lebt die Schweiz für einmal inmitten der EU (die Klage betrifft die USA, nur dort gelten die entsprechenden Patente), sonst würde ich mich an der OpenExpo definitiv nicht mehr wohl fühlen, rein rechtlich im Übrigen. Und doch, selbst wenn es uns als Schweizer Open Source Firma nicht trifft, so reicht es allemal, um einmal mehr zu verunsichern.
Womit Microsoft mein Vertrauen wieder herstellen könnte
Vertrauen bedingt Handeln, blosse Statements reichen nicht. Also liebe Microsoft, wenn ihr wirklich glaubhaft an einer OpenExpo als Sponsor auftreten wollt, dann liebe Microsoft lasst solche Klagen subito fallen und macht glaubhaft bei Open Source mit, ein Portokässeli-Sponsoring reicht dazu nicht.
Gerne möchte ich einige Beispiele vorschlagen: Wie wäre es mit der Freigabe der Sourcen von alten Windows-Versionen? Oder einer lückenlosen Publikation der Dateisystemtreiber bis und mit NTFS? Immerhin, die Office-Dateien haben wir mittlerweile. Allerdings, über ein Jahrzehnt konnten wir keine Microsoft Office-Datei archivieren, ohne zusätzlich ein Microsoft Office-Paket zu installieren. Mittlerweile erledigt dies die ArchivistaBox so ganz nebenbei. Und zum Abschluss noch dies, wenn ihr alle Browser (Firefox, Opera, Safari, Chrome) mit auf der Platte installieren würdet, dann wäre auch das toll.
Und ja, wir haben an der OpenExpo jetzt einen Projektstand, es wäre an der Zeit, wenn ich eine native Explorer-Version unter Linux hätte, dann bräuchten wir für diese Tests nicht immer erst eine lizenzierte Windows-Maschine zu starten. Natürlich, ich kann den Explorer ja in Wine laufen lassen, dumm nur, dass ich mich gerade durch solche Klageschriften wie oben beschrieben verunsichert fühle.
Warum wir trotzdem an der OpenExpo teilnehmen
Nun, und warum machen wir nun doch mit? Wir denken, gerade in einer Zeit, wo der Begriff Open Source zunehmend “verwässert” wird, tut es einer Messe wie der OpenExpo gut, wenn darüber anhand von Produkten gesprochen und verglichen werden kann. Von Produkten, die businesstauglich sind und gleichzeitig den Gedanken von Open Source nachleben.
Und ja, wir sind schon auch stolz darauf, an der OpenExpo zeigen zu können, dass wir mit Open Source mit bescheidenstem Aufwand weit mehr erreichen können als dies je unter Closed Source möglich gewesen wäre. Wir laden Sie gerne ein, bei uns bzw. an den Ständen unserer Partner, ja gar an sämtlichen Ständen über Open Source, was es ist und warum Offenheit und Vertrauen Sinn ergeben zu diskutieren. In diesem Sinne freuen wir uns auf die OpenExpo vom 1./2. April 2009 in Bern.